"Damit das Mögliche entsteht, muss das Unmögliche versucht werden" (Hermann Hesse)

Catalin Buzoianu

Catalin Buzoianu (40), aus Buzău, Rumänien, Leiter der "Born To Fight Academy" in Braunau, in Österreich seit 2014 

Ich, bekannt für meinen Tatendrang und meine herausragende Motivation, stand natürlich als Erster an der Tür des Flugzeugs. Ein schwerer Fehler, denn als ich sie öffnete, schlug mir die erbarmungslose Hitze Kandahars entgegen und ich dachte mir: Wo zum Teufel bin ich hier bloß gelandet? Diese Frage stellte ich mir oft im Leben, obwohl da immer ein roter Faden war, der mein Leben wie eine unsichtbare Hand lenkte und mir zur Verwirklichung meiner Träume verhalf. Natürlich nicht, ohne Opfer und Entbehrungen aber was wäre ein Lehrer ohne Lebenserfahrung?

Ich bin in Buzău, einer rumänischen Stadt mit rund 115.000 Einwohnern geboren. Ich habe dort die Grund- und Berufsschule besucht und eine Lehre zum Kunststofftechniker abgeschlossen. Darauf folgte die Abendschule mit Matura. Meinen ersten Job hatte ich mit 17 Jahren als Kunststofftechniker in einem kleinen Unternehmen in Rumänien. Mit 20 absolvierte ich den Grundwehrdienst. Dieser dauerte ein Jahr, und obwohl ich mich danach dazu entschloss, wieder ins Berufsleben zurückzukehren, führte mich der Zufall wieder zum Militär. Ich träumte nämlich, seit ich ein kleiner Junge war, von einer Karriere als Berufssoldat. Dank einer Zeitungsannonce war der Traum zum Greifen nah. Das rumänische Bundesheer hatte 200 freie Posten zu vergeben. Ich bereitete also meine Dokumente vor, stieg in den Zug und fuhr in jene Stadt, in der die Musterung stattfand. Alles war plötzlich so real, doch mein innerer Schweinehund war es auch, denn als ich sah, dass sich über 500 Personen gemeldet hatten, verließ mich der Mut und ich machte auf dem Absatz kehrt. In der Nacht suchten mich Gewissensbisse heim und ich fragte mich, ob ich es nicht hätte doch versuchen sollen. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und fuhr am nächsten Tag wieder dorthin und meldete mich – als Letzter. Die Musterung bestand aus einem stundenlangen psychologischen Test, der zum Ziel hatte, uns zu zermürben. Danach eine Sportprüfung, die mit ihrer Intensität deine Eingeweide in Schwingungen versetzte, und ein theoretischer Teil, der es ebenso in sich hatte. Das Ergebnis war mehr als überraschend. Ich hatte es nicht nur unter die besten 200 geschafft. Ich WAR der Beste in jedem der Prüfungsfächer und konnte mein Glück kaum fassen. 

Ich arbeitete über vier Jahre lang im Wachdienst der Militärpolizei, bis ich die Gelegenheit bekam, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Ich beschloss, als Freiwilliger nach Afghanistan zu gehen und musste dafür zunächst sechs Monate Training absolvieren. Wir schliefen in Zelten, in Wäldern und Bergen, weit weg von Duschen und jeglichem Luxus, und gewöhnten uns an Hunger und Durst. Nach vielen Monaten der Vorbereitung wurde der Beste der Einheit gekürt – in diesem Fall meine Wenigkeit. Mein Mentor sagte damals zu mir: "Wenn du im Krieg dasselbe machst wie hier, kommst du lebend wieder heim." Klang vielversprechend, nicht wahr? Ich war top vorbereitet – dachte ich zumindest, denn auf die Hitze (im Sommer 50 Grad im Schatten) und die Erlebnisse vor Ort konnte mich nichts und niemand vorbereiten. Ich war auf den zwei wichtigsten Autobahnen für die Sicherheit zuständig, dafür Brücken und Straßen nach Bomben abzusuchen und im Fall der Fälle die "Bomben-Squad" zu verständigen. Wir schlitterten oft haarscharf am Tod vorbei. Unter anderem wurde eines unserer Militärfahrzeuge in die Luft gesprengt. Dank der robusten Bauweise kam niemand zu Schaden, aber das war eben nur eine von vielen gefährlichen Situationen. Nach meinem Einsatz erhielt ich eine Medaille, blieb noch eine Weile im Bundesheer und hörte auf, als man mich in eine andere Einheit versetzen wollte. Zurück in Rumänien jobbte ich in einer Securityfirma und ging danach ins Ausland, wo ich mit Turnierpferden, als Küchengehilfe und Produktionsmitarbeiter tätig war.

Irgendwann wollte ich mir meinen zweiten Kindheitstraum erfüllen und eine Kickbox-Akademie eröffnen. Im Jahr 2019 wagte ich den Schritt in die Selbständigkeit. Wieso Kickboxing? Wenn man als Kind gemobbt wird, hat man keinen sehnlicheren Wunsch, als stark und selbstgewusst zu werden. Genau das gab mir dieser Sport, und er war mitunter der Grund für meine Erfolge im Bundesheer. Ich fing als Jugendlicher mit Taekwondo an und nahm auch an Wettkämpfen teil. Danach habe ich zum Kickboxen gewechselt und mehrere Prüfungen abgelegt, unter anderem bin ich stolzer Besitzer eines schwarzen Gürtels (3. DAN). Ich unterrichte Erwachsene und Kinder ab vier Jahren und genieße meine Rolle als Mentor in einer Sportart, die ich seit 28 Jahren ausübe. Meine Schüler:innen lernen nicht nur die Technik, sondern auch die Philosophie dahinter. Wir Kickboxer greifen im Alltag nie als Erste an. Wir lassen uns nicht provozieren. Das ist Disziplin. Wir sind stark, um jene zu schützen, die schwach sind, und um uns zu verteidigen. Dass ich dieses Wissen so authentisch vermitteln kann, verdanke ich meinen bisherigen Jobs, dem Auslandseinsatz und den vielen Prüfungen und Erfahrungen, die mich stark gemacht haben. Das einzige, was ich mir noch wünsche, ist es, eines Tages eine Kickbox-Gala in Braunau zu veranstalten. Ich hoffe, dass ich dafür viele motivierte Schüler:innen, Sponsoren und Unterstützer:innen finde und wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Jugend von heute auf die Welt von morgen vorbereitet wird – sowohl mental als auch körperlich.  

erschienen in: Braunauer Stadtnachrichten 200, Juni 2023