Bei am Radler: Interview mit Kurt Burgstaller

In dieser Serie spricht Radfahrbeauftragter Markus Dutzler mit Menschen, die viel in Braunau mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Markus Dutzler: Diesmal spreche ich mit Kurt Burgstaller von der gleichnamigen Fahrschule. Kurt, möchtest du dich kurz vorstellen?
Kurt Burgstaller: Ich führe in dritter Generation eine Fahrschule mit Standorten in Braunau und Mattighofen. Seit 75 Jahren bilden wir Fahrschüler aus.

Warum fährst du gerne Rad in Braunau?
Es ist für mich einfach die effizienteste und schnellste Art der Fortbewegung. Dass man etwas Gutes fürs Klima tut, ist fein, aber mir sind Punkte wie Bewegung an der frischen Luft, Kopf frei bekommen und fehlende Parkplatzsuche wichtiger.

Meine Erwartung wäre ja, ein Fahrschulbetreiber ist Autoliebhaber.
Grundsätzlich ist ein gewisses Interesse an Fahrzeugen natürlich notwendig, aber eine kritische Distanz zu dem, was man macht, ist immer sinnvoll. Ich würde mich selber keinesfalls als Autonarren bezeichnen.

Eher sogar als Fahrradnarren?
Ich würde sagen, Fahrradliebhaber.

Du hast sicher mehrere Räder?
Ich habe fünf Fahrräder und fahre regelmäßig mit jedem. Das Speed-Pedelec ("Fahrrad" mit Tretunterstützung bis 45 km/h, Helm- und Versicherungspflicht) ist ideal für größere Distanzen. Ich brauche dann zwar etwas länger, aber die Zeit kann ich meinem "Fitnesskonto" gutschreiben.

Fährst du mit Helm?
Ich denke, eine Helmpflicht für Radfahrer über 12 Jahren würde zu einer sinkenden Akzeptanz des Radfahrens führen. Es ist aber völlig klar, dass nicht nur der Kopf von Kindern, sondern auch jener der Erwachsenen geschützt gehört. Es ist äußerst sinnvoll, immer mit Helm zu fahren.

Machst du immer, was sinnvoll ist?
Am S-Pedelec und am Rennrad immer. Und am Stadtrad meistens. Allein schon wegen der Vorbildwirkung gegenüber meinen Enkeln.

Du verreist ja gerne samt Fahrrad oder leihst vor Ort ein Rad aus.
Genau, besonders in Städten schaue ich, wie sich Radfahren dort anfühlt. Dabei sehe ich große Unterschiede, sowohl in der Infrastruktur für Radfahrer:innen als auch in der Kommunikation der einzelnen Verkehrsteilnehmer:innen untereinander. So war ich richtiggehend überrascht, wieviel Geduld und Rücksicht Radfahrenden in England entgegengebracht wird. Bei uns ist es leider noch anders. Es ist mir daher auch ein berufliches Anliegen, die Gräben zu überwinden. Es gibt großes Unverständnis und Vorurteile zwischen den verschiedenen Gruppen, und da sind wir als Fahrschule genau die Schnittstelle, um einen Ausgleich herzustellen.

Wie arbeitet ihr an diesem Thema?
Ich versuche meine Mitarbeiter zum Radfahren zu motivieren, um auch die andere Seite kennenzulernen. Nur so kennt man die entsprechenden Probleme und kann darauf in der Ausbildung reagieren. Es ist wichtig, gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Die meisten Unfälle zwischen Rad- und Autofahrern gehen auf das Konto der Autofahrer. Aber es ist klar, dass die Radfahrer "draufzahlen". Rücksicht und Vorsicht ist also von beiden notwendig.

Ich merke beim Autofahren oft selbst, wie wichtig eine ordentliche Beleuchtung und Sichtbarkeit des Fahrrads ist. Aber zurück zu deinen Reisen, gibt es Infrastruktur, die dich begeistert hat?
Infrastruktur für Radfahrer muss vor allem leicht zu verstehen sein. Ich fahre öfter mit meinem Enkel, der gerade die Radfahrprüfung gemacht hat, durch Braunau und sehe, welche Schwierigkeiten er hat, herauszufinden, wo er überhaupt fahren darf oder muss. Es ist aber wichtig, Strukturen zu schaffen, die intuitiv zu nutzen sind. In Braunau sehe ich noch ein gewisses "Stückwerk". 200 Meter Radweg und dann wieder nichts. Genau diese Wechsel- und Kreuzungssituationen sind problematisch.

Ihr seid auch eine Radfahrschule mit Kursen für Kinder und Erwachsene.
Die Kurse sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Ausbildung für Kinder muss intensiver werden. Ich habe mir die Prüfungen angeschaut und festgestellt, dass es vielen Kindern dabei nicht gut gegangen ist. Selbst wenn sie bestehen, haben sie danach große Schwierigkeiten, sich im Straßenverkehr richtig zu verhalten.

Ist der Straßenverkehr um so viel komplexer geworden oder sind die Kinder es nicht mehr gewöhnt, sich im Verkehr zu bewegen?
Beides. Der Verkehr ist komplexer geworden und viele Kinder sind weniger geschickt im Umgang mit dem Fahrrad. Wenn sie dann mit dem Radfahren selbst beschäftigt sind, sind sie natürlich mit dem Verkehr überfordert.

Das werdet ihr auch mit den Kursen nicht abfangen können, oder?
Nein, das reicht nicht. Es braucht deutlich mehr und vor allem den Einsatz der Eltern.

Sind die Kurse trotzdem sinnvoll?
Der Nutzen ist sehr groß, und das wird auch von den Schulen so empfunden. Daher werden sie immer wieder gebucht.

Wieso macht ihr die Radfahrschule?
Mir geht es um eine umfassende Betrachtung des Themas Nachhaltigkeit. Daher engagiere ich mich auch stark im Bereich Architektur und E-Mobilität, weil das aus Klimagründen eine notwendige Sache ist. Der Wechsel der Antriebsform wird allerdings nicht zur Lösung unserer Verkehrsprobleme führen, wir müssen auch unser Mobilitätsverhalten ändern. Daher sehen wir uns als Mobilitätsschule. Ich habe bei mir selbst angefangen und mein Mobilitätsverhalten gravierend verändert. Es kommt kaum mehr vor, dass ich in Braunau privat mit dem Auto unterwegs bin. Wenn ich früher etwa nach Simbach gefahren bin, habe ich ganz selbstverständlich das Auto genommen; jetzt stelle ich fest, dass ich mit dem Rad wesentlich schneller und angenehmer dorthin komme.

War diese Veränderung für dich ein Verzicht?
Überhaupt nicht, es tut mir gut, mit dem Rad zu fahren. Auch wenn ich in andere Städte muss, etwa Ried oder Linz, fahre ich begeistert mit dem Zug in Kombination mit dem Fahrrad. Man kann nebenbei etwas erledigen oder einfach nur aus dem Fenster schauen. Ich bin gleich schnell, und wenn ich Parkplatzsuche und Kosten dazurechne, ist die Kombination Zug und Fahrrad alternativlos.

Diese Kombination ist aber auch nicht immer ganz einfach.
Das stimmt, aber mit den neuen Niederflurwagen wesentlich besser, und die werden auf dieser Strecke immer mehr. Ich sehe hier schon ein Bemühen der ÖBB.

Was bräuchte Braunau für noch mehr Alltagswege mit dem Rad?

Bei meinen persönlichen Wegen nichts. Aber meiner Einschätzung nach fahren in Braunau heute mehr Leute Rad als je zuvor. Mir ist klar, dass die Verkehrsinfrastruktur sich nicht von einem Jahr aufs andere komplett ändern lässt, aber ich bin optimistisch, dass im neuen Mobilitätskonzept die richtigen Schritte für die Zukunft gesetzt werden. Ich habe den Eindruck, das Thema Fahrrad wird in der Verkehrsplanung heute stärker berücksichtigt als früher.

Ist das E-Bike ein Gamechanger?
Auf jeden Fall. Auch das Speed-Pedelec könnte eine interessante Alternative für Strecken bis 20 km sein. Damit braucht man zum Beispiel von Mamling nach Braunau je nach Verkehrsaufkommen gerade einmal 4 bis 7 Minuten länger als mit dem Auto. Das muss man sich bewusst machen.

Wenn du einen Wunsch an die "Radfee" hättest, was wäre das?
Dass alle Menschen kritisch über ihr Mobilitätsverhalten nachdenken und neue Dinge ausprobieren.

Was würdest du allen gerne sagen, die (nicht) Rad fahren?
Bitte nehmt gegenseitig Rücksicht und haltet euch an die Regeln. Natürlich lieben zum Beispiel gerade Fahranfänger Radfahrer gar nicht. Denn ein korrektes Überholen mit ausreichend Sicherheitsabstand, an einer Stelle, an der es auch erlaubt ist, ist für einen Fahranfänger eine schwere Aufgabe. Autofahrer haben vielleicht manchmal das Gefühl, Radfahrer machen nur Probleme. Das ist verständlich, andererseits: Wenn man nach einem Parkplatz sucht und alles voll ist – wer ist denn daran schuld? Radfahrer? Oder man fährt in eine Stadt und steht im Stau, wer erzeugt denn den Stau? Man stelle sich vor, all die Radfahrer würden in einem Auto sitzen. Aber auch umgekehrt: Man stelle sich vor, alle Autofahrer würden auf einem Fahrrad sitzen, wie angenehm wäre diese Stadt?

Kurt Burgstaller

erschienen in: Braunauer Stadtnachrichten 201, September 2023