Musik und Mode aus Mombasa

Katama Joseph Kitole

Katama Joseph Kitole (34), aus Mombasa, Kenia, Musiker und Modelabel-Inhaber von „Kenda Apparel“, in Österreich seit 2021

In einem kenianischen Sprichwort heißt es: „Milima haikutani, lakini binadamu hukutana“, was so viel bedeutet wie: „Berg und Tal kommen nicht zusammen, aber Menschen“. So in etwa war das bei Sarah und mir. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich Österreich mein Zuhause nennen würde, aber das Leben ist schon sehr kreativ, wenn es darum geht, unsere Lebenswege zu zeichnen. 

Viele denken leider immer noch, Afrikaner wären alle arm und ungebildet. Dem kann ich entgegenhalten, dass sowohl ich als auch meine Geschwister und meine Mutter einen Universitätsabschluss haben. Meine Mutter ist Doktorin der Ernährungswissenschaft, eine Schwester ist Anwältin und eine andere Architektin. Ich selbst habe Finanzwesen und Wirtschaft studiert. Kurz nach meinem Studium habe ich in meiner Heimatstadt einen kleinen Laden eröffnet. Ich habe als Musiker Kostüme für meine Aufritte und Musikvideos gebraucht. Diese waren meist zu teuer und nicht stylisch genug. Abgesehen davon verdiente ich im Musikbusiness nicht sonderlich viel. Daher habe ich kurzerhand einen Schneider engagiert und meine Kleidung unter dem Label „Kenda Apparel“ herstellen lassen. Die Mode sollte günstig, aber stilvoll und handgemacht sein. Zu Beginn waren wir zu zweit, und ich besorgte die Stoffe in den kleinen Läden in der Umgebung. Es gab jedoch ein ständiges Auf und Ab mit dem Geschäft, weil ich daneben auch als Marketing- und Eventmanager in einem Hotel in Mombasa arbeitete und viel zu jonglieren hatte. Corona hat dem Shop einen endgültigen Gnadenstoß verpasst, und wir mussten zusperren, doch ein Ende ist immer auch ein Neuanfang…

Meine Frau Sarah kenne ich seit 2011. Sie hat sich damals auf einer Reise nach Afrika ins Land verliebt. In mich (noch) nicht. Der Freundschaftsmodus lässt grüßen, aber das änderte sich 2018. Jedenfalls war Sarahs erste Reise besonders, weil sie deswegen Kenia immer wieder besucht hat. Sie war fasziniert von unserer ganz eigenen, seltsamen Welt: die Stadtviertel, die in bitterster Armut versinken, die Partyviertel mit den vielen Touristen, stets laut und bunt. Die Kirchen und Moscheen und verschiedenen Religionen, die friedlich nebeneinander existieren, und als Sahnehäubchen obendrauf die Luxusviertel, in denen man alles bekommt, was das Herz begehrt. Wir sind an Blackouts gewöhnt und an das Duschen im Freien. Das alles war für Sarah eine ganz neue Art der Freiheit, die sie offenbar zu schätzen wusste. Sie ist wie meine Schwestern und meine Mutter – eine durch und durch selbstbewusste und unabhängige Frau, und das ist nicht selbstverständlich in meiner Heimat. Dafür musste mein Großvater viel Vorarbeit leisten, weil er einer der wenigen modernen Männer der damaligen Zeit war. Einer, der Frauen nicht in Schubladen steckte oder ihnen ihr Erbe verwehrte. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, weil ich mich vom Erfolg der Frauen in meinem Leben nicht eingeschüchtert fühle, sondern stolz auf sie bin.

Und wo wir gerade bei meinen Wurzeln sind – die Liebe zur Musik wurde mir in die Wiege gelegt, denn sie stammt von meiner Großmutter, die Songwriterin in unserer Community war. Meinen ersten Song veröffentlichte ich 2017. Mein Musikstil ist ein Mix aus Reggae, Suaheli, Dance und Soul und animiert zum Mittanzen. Mittlerweile trete ich regelmäßig auf Konzerten und Festivals in ganz Österreich auf, war im Wiener Fernsehen zu Gast und möchte bald ein Album aufnehmen. Ich hoffe, dass mein Musikbusiness wächst und gedeiht, weil das eine besondere Leidenschaft ist. So etwas verstehen nur jene, die Musik im Blut haben.

Neben der Musik betreiben wir einen ähnlichen Laden wie damals, aber professioneller und dank Sarahs Ideen mit einem größeren Sortiment. Meine Schwester, die Architektin, hat in meiner Heimatstadt eine Fabrik gebaut und kümmert sich vor Ort um alles. Wir kaufen weiterhin Materialien in kleinen Läden in der Umgebung. Zudem achten wir darauf, dass unser Team zu mindestens 80 Prozent aus Alleinerziehenden und jungen Frauen besteht, da diese es am schwersten haben und nicht nur von ihrer Familie, sondern auch von der Regierung im Stich gelassen werden. Wir stellen zudem Rucksäcke her, die Sarah in Braunau selbst näht. Diese locken mit ihrem bunten Design sogar Prominente wie Daniel Christensen an, den bekannten Schauspieler aus den Eberhofer-Filmen. Er hat anscheinend so großen Gefallen an unserer Tasche gefunden, dass er damit kurzerhand auf seinem Instagram-Account posierte.

Im Großen und Ganzen läuft es für uns also gut. Wir fliegen einmal im Jahr in die Heimat, damit wir als Familie auch mit meinen Wurzeln verbunden bleiben. Weil ich hier vor allem im Winter die Sonne vermisse, versuche ich sie kulinarisch zu bewahren. Sarah kocht gut und gern traditionell kenianisch, was sehr indisch ist. Sie verstehen nur Bahnhof? Unsere Küche ist indisch angehaucht und voller Chapatis, Currys und Co, weil Kenia eine wichtige Gewürzroute war und viele Menschen aus Indien dort leben. Ich liebe diese Küche und bin froh, auch in Österreich nicht darauf verzichten zu müssen. 

Ich habe mich sogar an den hiesigen Dialekt gewöhnt, der mir lange Kopfzerbrechen bereitete. Nachdem Sarah und ich 2018 ein Paar geworden waren, und ich wegen Corona und den damit verbundenen bürokratischen Hürden endlich einreisen durfte, arbeitete ich in einem Bioladen und in der Produktion. Es war alles andere als einfach, Deutsch zu lernen, gerade wegen des Dialekts, aber mit genügend Motivation schafft man alles. Das einzige, das ich mir wünsche, ist mehr Toleranz uns Afrikaner:innen und interkulturellen Paaren gegenüber, und dass unsere Mitmenschen endlich damit beginnen, die Vorurteile in ihren Köpfen über Bord zu werfen. Das klappt bekanntlich am besten über zwischenmenschliche Gespräche. Dann merkt man schnell, dass die Welt sich nicht in Schwarz oder Weiß einteilen lässt, sondern aus vielen Facetten besteht.

erschienen in: Braunauer Stadtnachrichten 202, Dezember 2023